Acht Lesungen

  mit Adelbert-von-Chamisso-Preisträgerinnen und -Preisträgern der Robert Bosch Stiftung



Fremd sein...
 

Zehra Çirak
Einführung
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Professor Pröpstls Puppentheater, Sonntag, 17. 04. 05

 
Marica Bodrozic
Yoko Tawada
Adel Karasholi
Zehra Çirak
Selim Özdogan
Vladimir Vertlib
Catalin D. Florescu
Francesco Micieli



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Wenn Sprache mit dem Bild flaniert

Aspach "Wo eine Welt in der die Welt keinen Platz findet /
Höllenträume in den kleinsten Hütten sich breit gemacht / und
das Rauschen eines friedlichen Baches die Ohren betäubt...",
so beginnt das Gedicht "Da fließt Hieronymus Bosch" von Zehra
Çirak. Nachdenkliches, Kritisches und Heiteres in sprachlichen
Bildern gesellte die Lyrikerin zu Arbeiten des Objektkünstlers
Jürgen Walter, ihres Ehemanns.

Die Performance "Kleine Altäre" in Professor Pröpstls Puppen-
theater in Großaspach war eine Verbeugung vor Malern aus fünf
Jahrhunderten. Von A bis Z. Von Antes, über Goya, bis Zimmer-
mann.

"Ein Dank für Anregung und empfundene Begeisterung", sagten
beide, die in Berlin leben und arbeiten. Wer aber meinte, es sei
eine literarische Danksagung, sah sich zweien gegenüber,
denen die Strukturen menschlichen Lebens wohl bekannt und
vertraut sind. Die sie aber mit Humor zu nehmen wissen und
immer wieder neu auszudrücken vermögen.

Sie machten es dem Publikum freilich nicht leicht. Zu viel-
schichtig sind ihrer beider Werke. Denn wo Sprache und Bild,
Wort und Objekt gemeinsam flanieren, ist die Trennung
zwischen Witz und
Sarkasmus kaum nachvollziehbar. Wenn
zwei Künstler ihre breite Spanne an Variationen und Veränder-
ungen, die zwischen ihrem Schaffen liegt, ausbreiten, ist jedes
Bekannte dabei oft ein dankbarer Strohhalm.

Aber das kann in die Irre führen. Zehra Çirak reagiert mit ihren
Gedichten entweder auf den jeweiligen Maler wie bei
Hieronymus Bosch. Oder auf das entsprechende Objekt wie bei
Laokoon. Ein Gebilde, das von Jürgen Walter in freier
Assoziation nach einem Detail des gleichnamigen Gemäldes
von El Greco gebaut wurde. Eine kopflose, schlanke Gestalt in
tänzerischer Pose ringt vor dem Brandenburger Tor mit einem
Kabel. "AOL" heißt der Titel des Objekts und "Das Trojanische
Hufeisen" der des Gedichtes: "Ein städtischer Wahrsager verrät
dem Hauptstadthäuptling wann die befürchtete Parade /
verkleidet als Liebesbotenfeier / durch das Tor der Stadt
einfahren wird . . .". Eine Parabel auf die Berliner Love-Parade,
von der sich Veranstalter und Magistrat einiges an Einnahmen
versprachen. Sich aber letztlich öffentlich um die Kosten für die
Beseitigung von Müll und Schäden im Tiergarten stritten.

Variatio delectat; Vielfalt macht Freude. Welcher Art auch
immer die sein mag. Es kann auch danebengehen. "Wenn einer
da ist, der das Nichts zum leuchten bringt und das Leuchten
aber nichts bringt, dann muss es gutgeredet werden . . .",
heißt eine Zeile von Çirak zum Objekt "Streifen" nach dem
Maler Lothar Quinte. Der Applaus am Schluss war verhalten.

Backnanger Kreiszeitung, 23.05.2005