Marica Bodrozic
Yoko Tawada
Adel Karasholi
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Vladimir Vertlib
Catalin D. Florescu
Francesco Micieli
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Gerade die Vielfältigkeit macht die Welt so bunt und interessant
Schon als 15-Jähriger veröffentlichte Adel Karasholi in seiner
Heimatstadt Damaskus sein erstes Gedicht ein Liebesgedicht
in arabischer Sprache. „Ich bin nur ein Kind / das liebt“, heißt
es in der deutschen Fassung. Mit 21 wurde er das jüngste
Mitglied des Arabischen Schriftstellerverbandes. Nach dem
Verbot 1959 flüchtete der Lyriker in den Libanon ins Exil. „Wo
ist Dada“ heißt ein Gedicht, das er in dieser Zeit für seine 5-
jährige Schwester schrieb, die seine Mutter nach dem großen
Bruder fragte. Schmerz und Heimweh klingen aus den Worten.
„Dein Bruder schreibt mit Blut das Gedicht aus dem Exil.“
Karasholi trägt den Text nicht nur in der deutschen, sondern
auch in der arabischen Fassung vor. Obwohl die Schüler im
Berufschulzentrum die Worte nicht verstehen, sind sie von der
melancholischen, sanften Sprachmelodie gefesselt.
Vom Libanon aus gelangte der Autor zunächst in die DDR, von
wo er nach Westberlin ausgewiesen wurde. Zeitweise war er
ohne Wohnsitz und schlug sich als Straßenarbeiter durch.
Karasholi fand sich in einer Welt wieder, „in der es aufwärts
geht, aber nicht vorwärts“, wie er es damals empfand. „Lyrik
hat mir geholfen, das Fremdsein zu überwinden“, erklärt
er den interessierten Schülern. Die Gedichte, die er damals auf
Arabisch schrieb, halfen ihm bei der Bewältigung seiner
Konflikte. Anderen Menschen konnte er sich kaum mitteilen. Es
fehlte das Kommunikationsmittel Sprache. Schnell lernte der
Syrer Deutsch und begann in der fremden Sprache zu schreiben.
Seine ersten Gedichte sind von einfacher Sprache. In „Dialektik
“ heißt es: „Weil ich dich liebe / liebe ich die Welt“. Das
Gedicht ist bis heute unveröffentlicht. Dem Autor erschien die
Sprache zu simpel. Inzwischen hat er den besonderen Reiz der
Einfachheit dieser Gedichte erkannt. Außer im Berufschul-
zentrum und im Bildungszentrum Weissacher Tal las Adel
Karasholi gestern Abend in der Reihe „Fremd sein . . .“ in
Professor Pröpstls Puppentheater in Großaspach, das für die
Organisation verantwortlich zeichnet. Acht Chamisso-Preis-
träger sind in dieser Reihe eingeladen. Die Autorenlesung
im Beruflichen Schulzentrum hatte die Leiterin der Schul-
bibliothek, Christiane Engelmann-Pink, organisiert. „Nicht alle
der Autoren wollen an Schulen lesen“, weiß sie. Adel Karasholi
sagte sofort zu. Er möchte Denkanstöße geben und versichert,
dass er selbst auch von dem Gedankenaustausch mit den
Jugendlichen profitiert. Und zu einem regen Austausch kommt
es nach der Lesung. Die Schüler erkundigen sich nach der
Familie des Autors und nach seiner Glaubensrichtung. „Ich bin
der Ansicht, dass ich alle Religionen akzeptiere“, formuliert der
geborene Syrer.
„. . . und sie wird schön nach dem Maß deiner Liebe“ Karasholi
plädiert für Toleranz. Ob er vom Schreiben leben kann, will eine
Schülerin wissen. „In Deutschland kann man von Lyrik nicht
leben“, ist die ernüch-ternde Antwort. Zum Schluss liest der
Autor noch aus seinem Gedichtband „Also sprach Abdulla“, der
1995 erschienen ist. 14 Jahre lang hat er daran gearbeitet. In
der Form lehnt er sich an einen islamischen Mystiker aus dem
10. Jahrhundert an. Abdulla ist eine fiktive Gestalt, eine zweite
Stimme, die es ermöglicht, inneren Widerstreit auszutragen.
Karasholi führt in den Gedichten Zwiesprache mit sich selbst,
mit seinem zweiten Ich. „Und also sprach Abdulla zu mir /
Fremde ist zu deiner Rechten / Und zu deiner Linken ist Fremde
/ Denn du tanzt auf einem Seil . . .“ Es sind schwierige,
philosophische Gedichte, merkt der Autor an. Für die jungen
Hörer hat er deshalb nur zwei Stücke aus dem Band aus-
gewählt. Aber man sollte die Schüler nicht unterschätzen. Man
merkt ihnen an, dass sie sich von der Poesie einfangen lassen.
„Und er sprach / sage ihr / die du liebst / sie sei schön / Und
sie wird schön / nach dem Maß deiner Liebe.“
(Backnanger Kreiszeitung, 09.03.2005)
Die Fremde
"Und er sprach / Dem Verfolger Vaterland zugewandt
/ Geht immernoch fremd / Der Fremde". Adel Karasholi weiß,
wenn er von Fremde schreibt, bestens Bescheid, mußte er doch
1959 schon seine Heimatstadt Damaskus und Syrien verlassen.
In Deutschland, in der Fremde, hat er seit 1961 ein zweites
Zuhause gefunden. Und in der deutschen Sprache holt er sich
das Vaterland zurück. Doch schreibt er auch über die Liebe,
über das Zusammenkommen von Menschen.
Die Gedichte sind in der Form den altislamischen Sufi-Texten
ähnlich. Die Welt wird befragt. Und die Welt ist im Kleinen
wie im Großen, im Ganzen wie im Teil erkennbar. Schwebeleicht
kommen die Verse daher und doch ist diese Lyrik poetische
Umsetzung von Lebens- und Erlebens-Philosophie. Karasholi
ist geübt im Verbinden der Kulturen. Sein Gedicht-Büchlein
gehört in die Bücherschränke der Weltbürger.
(Passauer Neue Presse, 09.05.1996)
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